Talsperrenland Schweiz
Zwischen 1869 und 1872 entstand bei Pérolles südlich von Freiburg Europas erste betonierte Staumauer, eine Gewichtsstaumauer. Ganz in der Nähe wurde 50 Jahre später bei Montsalvens eine Bogenstaumauer errichtet, wiederum eine Europapremiere. Sie ist sowohl horizontal wie auch vertikal gekrümmt. Dieser Mauertyp wurde später zu der in der Schweiz am meisten verbreiteten Bauart.
Doch vorerst wurde Gewichtsstaumauer der Vorzug gegeben, wie zum Beispiel bei Schräh im Wägital. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise und während des Zweiten Weltkriegs entstanden auch einige materialsparende Pfeilermauern, so zum Beispiel die Lucendro-Mauer auf dem Gotthardpass.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg verlangte nach mehr Wasserkraft, was in der Schweiz zu einem regen Bau von Talsperren führte: In der kurzen Zeit von 1950 bis 1970 wurden rund 80 Talsperren von über 15 Metern Höhe gebaut. Dies entspricht etwa der Hälfte aller heute bestehenden Talsperren dieser Kategorie. In diesen Jahren entstand auch die Gewichtsstaumauer der Grande Dixence, welche mit ihren 285 Metern immer noch die höchste Staumauer der Welt ist.
Inzwischen ist es um den Bau neuer Talsperren in des Schweiz ruhiger geworden. Dagegen sind Schweizer Ingenieure mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen bei zahlreichen Projekten im Ausland tätig. Sie halten dabei mit dem stetig wachsenden Erfahrungsstand Schritt, was wiederum der optimalen Betreuung unserer Talsperren zugute kommt.
Vorläufer der modernen Bogenstaumauer aus dem 17. Jahrhundert. Modelbild der Staumauer Joux-Verte, Roche (VD). Mit dem gestauten Wasser wurde Brennholz zu Tale geschwemmt.
Vom Altertum bis in die Gegenwart - aus der Geschichte des Talsperrenbaus.
Periode | Beschreibung |
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4. Jahrtausend vor Chr. | Jawa, Nordjordanien: 5 Meter hohe Erddämme mit Stauwänden aus Trockenmauerwerk für Bewässerung und Wasserversorgung. |
um 2600 vor Chr. | Sadd al Kafara, südlich von Kairo: 14 Meter hoher Hochwasserschutzdamm, vor seiner Fertigstellung durch Hochwasser zerstört. |
um 700 vor Chr. | Urartäer-König Rusa und Assyrer-König Sanherib bauten kleine Staumauern zur Wasserversorgung ihrer Haupstädte. |
um 550 vor Chr. | Marib, Nordjemen: Baubeginn an einem Bewässerungsdamm, der die Lebensgrundlage des legendären Reiches von Saba bildete; rund 1200 Jahre in Betrieb. |
Rom der Antike | Zahllose Talsperrenbauten in vielen Teilen des weiten Reiches. Zu den Dämmen und Gewichtsstaumauern kamen neu die Bogen- und Pfeilerstaumauer hinzu. Mit dem Untergang des weströmischen Reiches kam der Talsperrenbau in Europa zum Erliegen, blühte aber in Ceylon, Japan, Indien und Persien. |
15. Jahrhundert | Europa: Bescheidene Dämme für Fischzucht und zum Betrieb von Wasserrädern (zum Beispiel Bommerweiher bei Kreuzlingen, 1460 angelegt). |
1695 | Roche VD: 8 Meter hohe gebogene Mauer zum Flössen von Brennholz für die Verdampfung der Salzsole; 1945 verwahrlost eingestürzt. |
19. Jahrhundert | Frankreich: Erste theoretische Grundlagen für die Projektierung von Staumauern. |
1872 | Freiburg: Gewichtsmauer Pérolles; erstmalige Verwendung von Beton im Talsperrenbau in Europa. |
1920 | Montsalvens FR: Erste europäische Bogenstaumauer mit horizontaler und vertikaler Krümmung. |
Heute existieren in der Schweiz mehr als 200 Talsperren, welche der Oberaufsicht des Bundes unterstellt sind. Der grösste Teil davon befindet sich in den Alpen. Der Bau neuer Talsperren ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Die Erhöhung bestehender Talsperren ist eine Möglichkeit zur Vergrösserung des Speichervolumens; damit kann die Winterproduktion des Kraftwerks gesteigert werden. Die Bogenstaumauer Mauvoisin (VS) wurde zu diesem Zweck um 13 Meter erhöht.